Montag, 6. März 2017

Ein Vorgeschmack auf 'Der Inbegriff von Biederkeit' 💙




„Pferdedreck, das darf nicht wahr sein!“
Drystanes Laune hatte den Tiefpunkt erreicht, noch bevor er aus der Kutsche stieg. Ein Blick aus dem Fenster des Wagens genügte ihm, um zu wissen, dass er zu spät war, obwohl er den Fahrer zu einem halsbrecherischen Tempo angehalten hatte.
Giancovelli war vor ihm angekommen – Wie hat der Mistkerl das geschafft? – und würde ihm den Zutritt zum Tatort verweigern. Und auf die Weise dafür sorgen, dass Drystane eine grandiose Geschichte durch die Lappen ging.
Jeden anderen Polizisten hätte er überreden oder überlisten können, aber nicht Giancovelli. Der würde ihm die Tour vermasseln.
„Was ist denn, Mr Marshall?“, fragte sein Pressezeichner und hob den Vorhang an, um müde hinauszuspähen. Sein fehlender Enthusiasmus wäre durch die frühe Morgenstunde zu entschuldigen gewesen, wenn er kein Teil seines Charakters wäre. „Oh“, nickte Neb, als er den Grund für Drystanes Missgestimmtheit entdeckte. „Das ist nicht gut.“
„In der Tat. Nichts ist jemals gut, wenn ich diesen Narren ansehen muss.“ Zähneknirschend musterte er Giancovelli, wie er in Gesellschaft seines rotbraunen Jagdhundes abseits der anderen Beamten vor dem Haus am Ende der Straße stand. Übelgelaunt gaffte er zur Kutsche herüber. Als ihre Blicke sich trafen, legten sich ihrer beider Stirnen in Falten, und Drystane ließ den Vorhang mit einem Knurren an seinen Platz zurückfallen. „Lass uns gehen. Drystane Marshall gibt nicht kampflos auf.“
Neb seufzte und stieg vor ihm aus dem Gefährt. Widerwillig und dennoch entschlossen folgte Drystane ihm und griff sich mit der Rechten an den Kragen seines Mantels, um ihn zuzuhalten, damit die beißende Kälte nicht unter seine Kleider kriechen konnte. Sein Gebaren hielt sie allerdings nicht davon ab.
Zumindest hatte es inzwischen aufgehört zu schneien. Die ganze Nacht lang waren dicke Flocken aus den Wolken gefallen. Er hatte vom Fenster seines Büros aus beobachtet, wie sie sich auf der Erde niedergelassen hatten, um die Straßen Ascots mit Matsch zu bedecken und ihn zu ärgern. Mit jedem Schritt in Richtung Giancovelli schmatzte es unter den Sohlen seiner sündhaft teuren Boniver Fred’s. Er hasste dieses unelegante Geräusch, vor allem, wenn es ihn irgendwohin verfolgte!
„Einen wunderschönen guten Morgen, Giancovelli“, säuselte er mit einem aufgesetzten Lächeln, um dessen Falschheit sein Gegenüber sehr wohl wusste.
Detective Sergeant Giancovelli ließ sich zu keinem noch so winzigen Nicken herab. Stattdessen stand er regungslos vor ihm und betrachtete ihn aus seinen kühl wirkenden Augen, die von unbeschreiblicher Farbe waren. Blau? Grün? Eine Mischung davon? Wen interessierte das? Sein dunkelblondes Haar, welches ihm bis über die Schultern reichte, war feucht. Vermutlich geschmolzener Schnee.
Drystane knirschte aufgrund der Unhöflichkeit mit den Zähnen und ignorierte das Brummen des Hundes. „Ich will einen Blick ins Haus werfen. Die Ascot Daily Mail will über den Vorfall berichten. Wäre es möglich, dass...?“
Seine Bitte wurde mit einem Kopfschütteln abgeschmettert, noch ehe man ihm die Möglichkeit gegeben hatte, sie gänzlich vorzubringen.
„Ihr werdet mich abermals warten lassen, bis die restlichen Reporter eingetroffen sind? Muss ich mich in Geduld üben, bis Chef de police Howard die Gnade zeigt, den Journalisten ein paar Brocken Informationen hinzuwerfen?“
Giancovelli schüttelte erneut das Haupt und schluckte auf jene bemühte Weise, auf die er es meist tat. Er strich sich mit dem Handrücken eilig über die Lippen.
„Was dann?“, forderte Drystane zu wissen und klammerte sich mit halb erfrorenen Fingern an den Riemen seiner ledernen Umhängetasche.
Mit unwirschen Handbewegungen deutete Giancovelli ein paar Gesten in Gebärdensprache.
„Was will er uns sagen?“, fragte Neb.
Drystane nahm keine Notiz von ihm. „Ich soll nach Hause fahren?“, wiederholte er den stummen Befehl und Zorn verbrannte ihm die Eingeweide.
Giancovelli, dieser unerträgliche Arsch, nickte und schluckte abermals auf diese sonderbar enervierende Art.
„Aus welchem Grund?“, presste Drystane zwischen den Zähnen hervor.
Das schlichte Handzeichen, das ihm zur Antwort gegeben wurde, stand für Anweisung. Drystane hatte sie alle auswendig gelernt, um mit dem Mistkerl streiten zu können, auch ohne dass dieser ein Wort sagen musste.
„Anweisung von wem? Seid Ihr sicher, dass Ihr mich nicht schlichtweg wieder in der Ausübung meiner Arbeit behindern wollt?“
Statt einer Erwiderung musterte Giancovelli ihn flüchtig von oben bis unten. Dabei verdüsterte sich seine Miene und er zog ein kariertes Taschentuch hervor, um sich unwillig über den Mund zu wischen.
Nun geht das wieder los! Was auch immer es war, es nervte Drystane gewaltig. Ebenso wie der abschätzige Blick, mit dem Giancovelli ihm zeigte, wie wenig er von ihm hielt. „Verdammtes Arschloch“, murrte er und wandte sich ab, um ihn in dem Glauben zu lassen, er träte geläutert den Rückzug an. „Der Blödmann soll endlich zur Hölle fahren, damit ich hier meine Ruhe habe.“
„Ihr habt mich also umsonst aus dem Bett holen lassen“, murmelte Neb.
„Es ist noch nicht vorbei“, erwiderte Drystane und wirbelte herum, um Richtung Haus zu laufen. Sogleich ertönte warnendes Gebell und der Matsch machte ihn langsam, doch er musste es versuchen! Die Bemühungen seines Spions, der ihm den Tipp gegeben hatte, noch ehe die Detectives sich am Tatort eingefunden hatten, sollten nicht umsonst gewesen sein. Er musste einen Blick auf Eileen Forsythes Leiche werfen, um sich ein Bild vom Tathergang machen zu können! Alles andere wäre reine Spekulation und seine Berichterstattung konnte nicht von einer solchen abhängen!
Er war nicht weit gekommen, da wurde er von hinten gepackt.
Kräftige Finger schlangen sich um seinen Oberarm. Giancovelli schubste ihn in Richtung Kutsche und schnitt eine bitterböse Grimasse, die ihm Angst einjagen sollte, ihn aber lediglich zornig machte.
„Nur eine Minute, verdammt! Gebt mir nur eine Minute!“, brüllte Drystane und machte die restlichen Beamten auf sich aufmerksam, die sich köstlich über ihn amüsierten – diese vermaledeiten Mistsäcke!
Giancovelli versetzte ihm einen weiteren Stoß, der ihn ins Wanken brachte. Er verlor auf dem rutschigen Untergrund den Halt und landete so heftig mit dem Hintern auf dem Pflasterstein, dass ihm die Zähne klapperten. Ein Schauder der Kälte durchfuhr seinen Körper, gleich darauf ging er vor Wut in Flammen auf. „Was bildet Ihr Euch ein, auf diese Weise mit mir umzugehen, Ihr verfluchter Arsch?!“
Neb eilte an seine Seite, um ihm aufzuhelfen, doch Drystane schlug dessen Hand fort und kam aus eigener Kraft in die Höhe.
„Was fällt Euch ein?!“, zeterte er, während er den schmutzigen Schnee von seinem Mantel klopfte. „Sollte der Stoff ruiniert sein, werdet Ihr höchstpersönlich für den Ersatz aufkommen, das verspreche ich Euch!“
Giancovelli verzog keine Miene und wandte sich ab. Sein Hund folgte ihm so abrupt, als wäre er am Bein seines Herrn festgemacht.
„Habt Ihr mich gehört, Giancovelli?!“
Der Mann hob die rechte Faust und zeigte ihm den Mittelfinger, ohne sich zu ihm umzudrehen.
„Euch ist schon klar, was diese Geste bedeutet, oder? Verfluchter Narr! Ihr droht mir mit Penetration!“, donnerte Drystane. „Na, dann kommt doch, und fickt mich, Giancovelli! Kommt und fickt mich!“
Die Polizisten vor dem Haus brachen in schallendes Gelächter aus, während Giancovelli keine Reaktion zeigte.
Drystane gab einen Laut des bitteren Trotzes von sich und machte auf dem Absatz kehrt, um in die Kutsche zu steigen. Dabei rutschte er ein weiteres Mal aus und landete auf dem Steißbein, was für noch mehr Erheiterung sorgte.
Neb zog ihn hoch und half ihm in ihr Gefährt, in welchem Drystane sich mit einer Aneinanderreihung von Flüchen und Schimpfworten abreagierte. „Ich hasse den Kerl! Ich hasse ihn! Oh, ich verfluche ihn!“

*

Das Holz knarzte unter seinen Sohlen, als er sich in das schlicht eingerichtete Schlafzimmer begab, welches Marshall unbedingt hatte besichtigen wollen.
Gero blieb auf einen Handwink hin vor der Tür sitzen und begann verhalten zu hecheln. Es behagte ihm nicht, von seiner Seite zu weichen. Donatien strich ihm zur Beschwichtigung über den Kopf.
Eileen Forsythe lag auf ihrem Himmelbett. Völlig entkleidet und ungewöhnlich blass. Der Einstich an ihrem Unterleib, der sie getötet hatte, war kaum zu erkennen. Man hatte ihr die Kleider ausgezogen, als jegliches Leben bereits aus ihr gewichen war, und sie gesäubert, um sie lasziv auf den Laken zu drapieren. Ihr Nachbar hatte einen Streifenpolizisten verständigt, da er Schleifgeräusche aus ihrem Haus gehört hatte.
„Seid Ihr den Schreiber losgeworden?“, fragte Howard, der über die Leiche gebeugt an deren Haar zu riechen schien.
Sie hatten die Kutsche von weitem kommen sehen und gewusst, dass es nur Marshall sein konnte, der zu so früher Stunde seiner Arbeit nachging. Irgendeiner seiner kleinen Spitzel war immer wach und so war er stets über jegliches Geschehen in der Stadt informiert.
Zur Antwort nickte Donatien, doch sein Vorgesetzter wandte sich nicht um, sodass er zu einem leisen Mhm gezwungen war. Aufgrund der ungewohnten Belastung schmerzten seine Stimmbänder und er räusperte sich, um das Kratzen im Hals zu lindern.
„Gute Arbeit. Dieses Pack wird immer unerträglicher, vor allem Marshall. Ich sollte bald etwas dagegen unternehmen“, murmelte Howard. „Sie haben ihr alles vom Leib gestreift, was sie anhatte.“ Er deutete auf den Waschtisch, auf dem Haarbänder und Kämme lagen. „Auch den Schmuck haben sie ihr abgenommen. Bis auf dieses Stück hier.“
Donatien folgte Howards Zeigefinger, dessen Spitze auf einen einzelnen Ring zeigte. Dann wanderte sein Blick zu dem Kleid hinüber, welches an einer Stelle von Blut besudelt war. Es war jene Stelle, an der sich die Klinge einen Weg in Eileen Forsythes Fleisch gebahnt hatte.
„Alles ist sauber, was bedeutet, dass sie das arme Mädchen nicht hier, sondern irgendwo ausserhalb des Hauses umgebracht haben. Aber der Täter wusste, wo sie wohnte, und hat sie hergebracht.“
Donatien klatschte in die Hände und Howard wandte sich ihm zu, um seine Gebärden zu verfolgen: Vielleicht hat er sie auf dem Balkon oder im Garten überrascht.
Der Chef de police schüttelte den Kopf. „Auf dem Balkon habe ich mich umgesehen. Er ist von einer Schneeschicht bedeckt. Die einzigen Spuren dort draußen sind Vogelfüßchen auf dem Geländer. Gershwin und Turnbull sehen sich gerade im Garten um. Ich hoffe, sie finden etwas.“
Donatien nickte schwach und tat einen Schritt Richtung Bett, um der Toten den Ring vom Finger zu ziehen. Er las die Gravur und gab einen Laut von sich, der den Inspektor an seine Seite beschwörte. Von draußen hörten sie zwei oder mehrere heranfahrende Kutschen.
„Was habt Ihr gefunden?“, fragte Howard und nahm das Schmuckstück an sich, um es eingehender zu betrachten. Auch er widmete sich der Inschrift: In Liebe, Iljanko. „Ein Ring von Peshnic ist das Einzige, das der Mörder ihr am Leib gelassen hat. Was will er uns damit sagen? War er eifersüchtig? Vielleicht war es auch eine ehemalige Geliebte Peshnics, die sich mit der Trennung nicht abfinden konnte und sich durch die Zeitungsartikel provoziert fühlte, in der Peshnic und Forsythe als perfektes Paar dargestellt wurden.“
Wieder antwortete Donatien mit einem Nicken.
„Was ist hier vorgefallen, zum Teufel?“, knurrte Howard und fasste in die Brusttasche seines Hemdes, doch überlegte es sich in letzter Sekunde anders und ließ das Zigarettenetui wo es war. Vermutlich wollte er den Tatort nicht mit Asche verfälschen, die irgendein armer Trottel als Beweismittel eintütete.
Mike Ruffalo gesellte sich zu ihnen. Sein Eintreten wurde von Geros Fiepen begleitet. „Myrtle kommt jeden Moment, um die Leiche in Augenschein zu nehmen“, verkündete der groß gewachsene Mann und sah sich forschend um. „Mr Goodfellow ist zurück.“ Die Treppe knarzte unter dessen leichtfüßigen Schritten.
„Mit Peshnic?“, fragte Howard hoffnungsvoll.
Goodfellow, der blutjunge Deputé Howards, erschien unter dem Türsturz und erwiderte grimmig: „Mit schlechten Nachrichten.“
„Raus damit“, forderte Howard und griff erneut an seine Brusttasche, nur um die Finger abermals sinken zu lassen.
„Peshnic war tief getroffen von den Neuigkeiten, die ich ihm überbrachte, aber er lehnte es ab, mich zu begleiten. Er sagt, er möchte seine Geliebte in Erinnerung behalten, wie sie im Leben war, und nicht im Tode.“
Howard brummte missmutig und gab den Kampf gegen seine Sucht auf. Er zog ein Päckchen Golden Petiol hervor und steckte sich eine an. Mit der Zigarette zwischen den Lippen fragte er: „War herauszufinden, ob er ein Alibi für letzte Nacht hat?“
„In der Tat, Sir. Er verfügt über eines, das mir wasserdicht erscheint“, nickte Dean Goodfellow und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um eine vorbildliche Haltung anzunehmen. „Er behauptet, auf einer Versammlung von Politikern gewesen zu sein, die länger dauerte, als erwartet. Anschließend war er mit zwei Männern auf einen Drink. Alle genannten Zeugen bestätigen unabhängig voneinander seine Geschichte.“
„Ab wann war er nicht mehr in Gesellschaft?“
„Laut Aussage des Barmannes haben die Herrschaften den Club gegen vier Uhr morgens verlassen.“
„Das ist kaum eine halbe Stunde her“, stellte Howard fest und strich sich mit dem Daumennagel über die Lippen, während er die Leiche anstarrte. Der Glimmstängel in seiner Rechten setzte Rauchzeichen ab, als wolle er um Hilfe rufen.
Mike Ruffalo mischte sich ein: „Ich bin kein Arzt, wie meine Gattin, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass Miss Forsythe schon länger tot ist. Ich vermute, sie starb weit vor Mitternacht. Aber lassen wir Myrtle ihre Arbeit tun. Gewiss kann sie uns mehr dazu sagen.“
Howard nahm einen Zug und seufzte unterdrückt. „Meine Herren, ich muss daran erinnern, dass wir uns augenblicklich in Personalnot befinden. Sollte Eure Frau keinen Hinweis auf den oder die Täter finden, Ruffalo, tappen wir im Dunkeln.“ Er rieb sich die Stirn.
„Unser Opfer hatte einen Bruder. Peshnic fragte, ob der schon davon wisse“, meinte Goodfellow. „Ich verneinte und fragte ihn nach dem Namen. Er muss bei der Eheschließung den seiner Gemahlin angenommen haben, denn er heißt jetzt Degwich. Peshnic nannte mir seine Adresse, doch ich wollte alles weitere mit Euch abklären, ehe ich handle.“
„Gut gemacht, Dean. Nehmt Euch einen Constable und fahrt zu Degwich“, wies Howard an. „Doch befragt ihn nicht, sondern bringt ihn aufs Revier. Ich möchte selbst mit ihm sprechen, wenn ich schon Peshnic nicht haben kann.“
„Jawohl, Inspektor.“ Goodfellow verbeugte sich und eilte nach draußen.
Alle blickten ihm nach, bis Howard das Wort ergriff: „Und wir warten unten auf den Doktor.“
Donatien trat als Letzter aus dem Raum und Gero gesellte sich an seine Seite, um so dicht bei Fuß zu gehen, dass Donatien die Schulter des Hundes am Bein spürte.

*

In eine Decke gehüllt saß Drystane vor dem Kamin in seinem Büro und versuchte, die Kälte aus seinem Inneren zu vertreiben. Er fröstelte und seine Finger, die er um eine Tasse mit schwarzem Tee geschlungen hielt, schmerzten. Sein Mantel hing an einem Kleiderbügel nahe dem Feuer und würde sich mit dem unangenehmen Rauchgeruch vollsaugen.
„Das ist alles Giancovellis Schuld“, beschwerte er sich bei Neb, der irgendwo hinter ihm an einer Zeichnung arbeitete. „Der Mistkerl wird mich noch um all meine Besitztümer bringen. Und um den Verstand. Nicht zu vergessen um meine Anstellung. Ach was, das Arschloch wird mich ins Grab bringen!“
„Ihr reagiert über, Mr Marshall“, kam mit einem unterdrückten Seufzen zurück, welches Drystane daran erinnerte, dass er anderen Menschen schnell anstrengend wurde. Offenbar war es nun auch bei Neb soweit, obgleich der Mann erst seit wenigen Wochen in seinen Diensten stand.
„Ich reagiere über? Du hast gesehen, wie er mit mir umgeht! Sehe ich wie jemand aus, mit dem man auf diese barsche Weise umspringen kann?!“
„Natürlich nicht, Sir. Giancovelli weiß es eben nicht besser. Weshalb hängt Ihr Euch derart an seinem Verhalten auf? Lasst es gut sein. Ihr müsst mit dem Kerl nichts zu schaffen haben, wenn Ihr ihn nicht ausstehen könnt.“
„Nichts zu schaffen haben?“, wiederholte Drystane. „Ich will ja gar nichts mit ihm zu schaffen haben, aber er sabotiert meine Arbeit!“
„Es gibt tausend andere Dinge, über die Ihr schreiben könnt. Die Leute lieben Eure Artikel um Eurer bissigen Wortwahl willen. Da ist es ganz gleich, worum es in den Berichten geht.“
Drystane rieb sich mit kalten Fingerspitzen die Schläfe, hinter der eine Ader kraftvoll pochte. „Ich möchte über Ereignisse berichten, die von Bedeutung sind. Forsythe war die Geliebte eines wichtigen und ebenso zwielichtigen Politikers. Jetzt ist sie tot. Was würde ich nicht alles dafür geben, ihre Leiche zu sehen, um meine Eindrücke zusammenfassen zu können.“
Der unleidige Giancovelli machte seine Bemühungen immer öfter zunichte. Die Lage zwischen ihnen war seit jeher prekär, doch schien sich zuzuspitzen. Oder tat sie das nur in seinem Kopf? War es bloß wegen dieser Sache, die ihm nicht aus dem Schädel wollte?
„Neb, lass mich allein“, murmelte er.
Der Zeichner gehorchte offenbar nur allzu gerne und suchte das Weite.
Drystane erhob sich mitsamt seinem Überwurf und der Tasse, um die Jalousien seiner verglasten Wand in den Gang hinaus herunterzuziehen und die Tür abzuschließen. Dann nahm er erneut vor dem Kamin Platz und sah in die lodernden Flammen. Ein ungeheuerlicher Verdacht ließ ihn nicht los.
Es war noch keine drei Wochen her, seit man ihn zuletzt entführt hatte. Man hätte ihn umgebracht, aber dazu war es nicht gekommen. Sein Leben war gerettet worden und Giancovelli war daran maßgeblich beteiligt gewesen. Und das war genau jener Teil, der ihn um den Schlaf brachte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Giancovelli aus Gutmütigkeit gehandelt hatte. Da musste etwas dahinterstecken!
Die Männer, die für Drystanes Entführung verantwortlich gewesen waren, waren inzwischen entweder in die ewigen Jagdgründe vorausgegangen – darunter auch der ehemalige Polizeichef und Menschenhändler Hathaway – oder befanden sich in Verwahrung. So glaubte und hoffte er. Was aber, wenn das nicht stimmte? Was, wenn Giancovelli zu ihnen gehörte? Wenn er ein Verbrecher war und man Drystane nur verschont hatte, um ihm zu gestatten, Teil eines größeren Ganzen zu werden – und ihn später zu töten?
Als er jene Bedenken seinen Freunden Franco und Corvin gegenüber erwähnt hatte, hatten diese bloß gemeint, dass er sich in Wahnvorstellungen verstrickte. Daraufhin hatte er versucht, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Doch er konnte es nicht. Es ließ ihm keine ruhige Minute, nicht zu wissen, weshalb Giancovelli ihn nicht hatte sterben lassen, sondern alles in seiner Macht stehende getan hatte, um sein Ableben zu verhindern.
Er brauchte Gewissheit und die würde er nur bekommen, wenn er sich an Giancovellis Fersen heftete und sich selbst davon überzeugte, dass der Mann kein Krimineller war, der ihm im richtigen Moment an den Kragen wollte.
Oder eben doch.

8 Kommentare:

  1. Liebe Tharah
    Geschafft jetzt bin ich mega neugierig und freu mich auf die ganze Geschichte.

    GLG Vera ��

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  2. Liebe Tharah,
    Ein gelungener Auftakt und ich warte wie immer schon ganz *hibbelig*
    GLG. Traude

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    1. Sehr schön, sehr schön *gg* Lange musst du ja nicht mehr warten, bis du den ganzen Roman lesen kannst :)

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  3. Liebe Tharah, deine Geschichte muss ich unbedingt lesen, ich möchte wissen wie es weiter geht und und......

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    1. *lach* Ist der Kommentar auch eine Leseprobe und der Rest kommt nach deinem Lesen der gesamten Lektüre? :D

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  4. Hallo

    das sind doch mal gute Neuigkeiten :-)
    Wieder eine wunderbare Umschreibung:
    "Der Glimmstängel in seiner Rechten setzte Rauchzeichen ab, als wolle er um Hilfe rufen."

    Ist schon absehbar wann dein neues Werk erscheinen wird?

    LG Sonja K.

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    1. Liebe Sonja!

      *haha* Vielen Dank für das Kompliment *freu*

      Jaaa, planmäßig wird es ab 16. März erhältlich sein!

      Liebe Grüße!
      Tharah

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