Donnerstag, 27. August 2015

Exklusive Leseprobe zu 'Der Anwalt des Don'


Ein Blitz erhellte den Nachthimmel, ein Donner grollte und im nächsten Moment ergoss sich ein Wolkenbruch über seinem Kopf.
Jimmy fluchte leise und schob seinen Notizblock in die Innentasche seines Jacketts, um ihn nicht an den Starkregen zu verlieren.
Salvatore DeLuca, dieser verbrecherische Fettsack, war gerade dabei, irgendein krummes Ding abzuziehen. Zusammen mit seinem Leibwächter Oliver Hallcott stand er in der Nische eines Hauses und wartete auf jemanden. Der bullige Hallcott hielt seinem Dienstherrn einen Schirm über den Kopf, damit dieser bloß nicht feucht wurde und in Ruhe an seiner Zigarre paffen konnte.
Jimmy war innerhalb weniger Augenblicke nass bis auf die Knochen. In Nächten wie diesen wünschte er beinah, er könne einen Privatdetektiv mit dieser Sache beauftragen, anstatt DeLuca selbst beschatten zu müssen. Doch weder hatte er das Geld dafür, noch wollte er die Angelegenheit in irgendeiner Form aus der Hand geben. Wenn man die Dinge nicht selbst in Angriff nahm, konnte man sich nie darauf verlassen, dass sie ordentlich erledigt wurden. Gerade seine Fehde mit DeLuca war von so großer Bedeutung, dass er nichts dem Zufall oder dem Können eines anderen überlassen wollte.
Vor Monaten hatte er sich in den Kopf gesetzt, diesen Dreckskerl ins Gefängnis zu bringen. Bislang war es ihm nicht gelungen, doch er stand kurz vor dem Durchbruch. Das war gut so, denn langsam gingen ihm die Mittel – und die Puste – aus, diesen Fall weiter zu verfolgen. Die halbe Stadt lachte über ihn, weil er so verbissen daran arbeitete, DeLuca hinter Gitter zu bringen. Deshalb durfte er jetzt nicht aufgeben.

Sein verdammter Vater würde sich in seiner Meinung über ihn bestätigt fühlen, sollte ihm je zu Ohren kommen, dass Jimmy gescheitert war.
Das würde er nicht ertragen. Nicht, nachdem er sich die meiste Zeit seines Lebens anhören hatte müssen, was für ein jämmerlicher Schwächling und himmelschreiender Dummkopf er war. Es war an der Zeit, seinem Vater und dem Rest der verfluchten Welt zu beweisen, dass er kein vollkommener Idiot war. Die Tatsache, dass er sein Studium mit Auszeichnung bestanden hatte, zählte für niemanden. Als er seinem Vater davon erzählt hatte, hatte dieser gelacht und gefragt, wem er für diese Noten einen runtergeholt habe. Jimmy knirschte mit den Zähnen. Er hatte sich diese Noten hart erarbeitet. Nächtelang hatte er über den Büchern gebrütet, war am Schreibtisch eingeschlafen, um am nächsten Tag in den Vorlesungen sein Bestes zu geben. Niemand hatte ihm dafür auf die Schulter geklopft oder ein Lob ausgesprochen. Ein Räuspern klärte seine eng gewordene Kehle. Sollte ihm bloß recht sein, er war nicht darauf angewiesen, dass jemand stolz auf ihn war, aber er würde es allen zeigen! Unwirsch fuhr er sich mit der Rechten durchs völlig durchnässte Haar und übers ebenso nasse Gesicht, den Blick starr auf DeLuca gerichtet, um nicht zu versäumen, sollte dieser sich vom Fleck rühren. Er musste das Schwein überführen – auf frischer Tat ertappen!
Die Leute nannten Jimmy den Giftzwerg, aber sie würden sich nicht mehr über ihn lustig machen, wenn er für die Verhaftung des berühmt berüchtigten Don Salvatore verantwortlich wäre. Dann würde es niemand mehr wagen, über den fähigen Anwalt James Hartwick zu lachen.
Deswegen stand er hier im Regen, verborgen vor neugierigen Blicken, und gaffte heimlich zu DeLuca, diesem hassenswerten Fettsack, hinüber.
Endlich tat sich etwas. Er straffte die Schultern, als ein vornehm gekleideter Mann über den Marktplatz stolzierte – samt Leibwächter und Schirm über dem Kopf.
Sein Herz klopfte schneller. Heute war die Nacht gekommen, in der DeLuca die gerechte Strafe bekommen würde. Durch Jimmys Hand! Für diese Tat erwartete er Ruhm und Befriedigung. Diese Dinge waren ihm das Risiko, welches er einging, wert. Was zählte die Gefahr für einen Mann, der nichts zu verlieren hatte? Und Jimmy hatte nichts zu verlieren.
Um sein heruntergekommenes Büro im Keller eines Bordells, das aus einem einzigen Zimmer bestand und zugleich seine Wohnung war, wäre es ihm nicht leid. Er hatte keine Freunde und keine Familie, weil sein Vater nicht zählte. Er besaß einen schäbigen, alten Mantel, genau zwei Anzüge und drei Hemden, die er im Wechsel trug. Wenn er Glück hatte, konnte er sich täglich eine warme Suppe leisten. Wenn er Pech hatte – und davon hatte er viel – reichte es nur für jeden zweiten Tag. Die Miete bezahlte sich nicht von allein und seine Aufträge hielten sich in Grenzen. Meist waren seine Klienten selbst nicht gut bei Kasse und zahlten ein Minimum für die Dienste, die sie in Anspruch nahmen. Darüber hinaus war Jimmy die meiste Zeit über damit beschäftigt, Informationen über Salvatore DeLucas gesetzeswidrige Aktivitäten zu sammeln. Dies war der Fall, der sein Leben verändern konnte. Und sein verschissenes Leben hatte eine Veränderung bitter nötig. Darum ergriff er die Chance, als der Fremde, der mit dem Rücken zu ihm stand, DeLuca eine Tasche überreichte.
All seinen Mut zusammennehmend trat Jimmy aus den Schatten ins Licht der Straßenlaternen, um mit schnellen Schritten den Platz zu überqueren und einen Revolver zu ziehen. „DeLuca, Ihr verdammtes Arschloch!“
Salvatore DeLuca starrte ihn unverwandt an und wirkte viel mehr rügend als sonst etwas, während sein Leibwächter auf Jimmy losgehen wollte. Der Don hielt ihn zurück, indem er den Arm nach ihm ausstreckte und den Kopf schüttelte. Vermutlich hatte der Fettsack begriffen, dass es ihm jetzt an den Kragen ging.
Wer zur Hölle ist dieser Wicht?“, forderte DeLucas verbrecherischer Geschäftspartner – gekleidet in teuersten Zwirn und fein zurechtgemacht – zu wissen und schickte wortlos seinen zwei Meter großen Wachhund vor, um Jimmy aus dem Weg zu schaffen.
Ich bin kein Wicht, sondern Euer schlimmster Albtraum!“, brüllte dieser aufgebracht und fuchtelte mit der Pistole herum, was niemanden zu beeindrucken schien. Panik befiel ihn und er zweifelte plötzlich an seinem unausgereiften Plan. Er zitterte vor Kälte und Angst.
Salvatore DeLuca ergriff das Wort, bevor der groß gewachsene Leibwächter einen Schritt tun konnte: „Halt! Das ist nicht nötig. Lass mich das regeln.“
Der Mann, mit dem DeLuca illegale Machenschaften trieb, sah diesen skeptisch an, nickte jedoch. „Wie du meinst, Sally. Kümmere dich um dieses Problem.“ Er musterte Jimmy abwertend und wich ein paar Schritte zurück, um ihnen Privatsphäre zu bieten.
Jimmys Finger, die um den Griff des Revolvers lagen, bebten und auch seine Stimme tat dies, als er sprach: „Ich habe Euch auf frischer Tat ertappt. Nun könnt Ihr nichts mehr leugnen, ich werde Euch überführen. Ihr… Ihr werdet jetzt mitkommen.“ Mühsam hielt er dem dunklen Blick des übergewichtigen Mannes im schwarzen Anzug stand.
Ich schlage vor, Ihr nehmt Reißaus und lasst die Sache auf sich beruhen“, brachte der miese Fettsack ruhig hervor.
Nichts dergleichen werde ich tun! Ihr seid verhaftet, DeLuca! Ich nehme Euch hiermit im Namen des Gesetzes fest!“
Ein kaum merkliches Schmunzeln umspielte die vollen Lippen DeLucas. „Macht Euch nicht lächerlich. Wir beide wissen, dass das nicht so laufen wird. Verschwindet jetzt, bevor Euch etwas passiert.“
Soll ich ihn aus dem Weg räumen, Boss?“, hakte Hallcott ungeduldig nach, doch DeLuca winkte ab, was den Leibwächter zu einem genervten Aufstöhnen verführte. Der Regen prasselte auf den Schirm ein, den er über den Kopf seines Dienstgebers hielt.
Ihr kommt mit oder ich schieße!“, drohte Jimmy lauter als der Regen.
Wie ich Euch kenne, ist die Waffe nicht geladen“, stellte DeLuca fest und Jimmy schluckte trocken, weil es die Wahrheit war.
Doch, ist sie!“, konterte er dennoch mit aller Bestimmtheit. Seine aufkommende Verzweiflung ließ sich schwerlich zurückdrängen, da er gerade am Verlieren war. Schon wieder. Wie immer. Er blinzelte nervös.
DeLuca griff sich flüchtig an die Stirn und schüttelte den Kopf, ehe er die Arme ausbreitete und wütend forderte: „Dann erschießt mich, Hartwick! Erschießt mich oder verschwindet endlich!“
Ein Schuss hallte durch die Luft, gleich darauf ein zweiter. Der vornehme Herr und sein Diener gingen zu Boden. DeLuca und Hallcott zogen ihre Revolver und richteten sie in die Dunkelheit. Jimmy sah gehetzt um sich und erkannte mit Entsetzen, dass sie umzingelt waren. Gleich darauf wurde er von hinten niedergeschlagen. Die Waffe glitt ihm aus den Händen und ihm wurde schwarz vor Augen…

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